Logo

Kometen-Auswertungen


Home=Aktuelle Kometen: 12P (2023/24) | Die Fachgruppe | Anleitungen | Archiv | Projekte+Publikationen | Bilder | Kontakt


12P/Pons-Brooks

2023/24


Nach mehr als 70 Jahren wird der Komet 12P/Pons-Brooks (P=71.32a) seinen 4. beobachteten Periheldurchgang passieren. Am 21. April 2024 kommt er der Sonne bis auf 0.78 AE nahe. Da er der Erde dieses Mal nicht näher als 1.55 AE kommen wird und sich eher auf der der Erde gegenüberliegenden Seite der Sonne aufhält, wird er wohl nicht heller als 4-5m. Zum Perihelzeitpunkt sollte er auch die Maximalwerte des Komadurchmessers (etwa 10') und der Schweiflänge (visuell etwa 2-3°) aufweisen. Heller als 16m sollte er zwischen Juli 2023 und Dezember 2024 sein. In diesem Zeitraum bewegt er sich durch die Sternbilder Drache, Herkules, Leier, Schwan, Eidechse, Andromeda, Fische, Widder (Perihel), Stier, Eridanus, Hase, Großer Hund, Achterdeck, Schiffssegel, Zentaur, Wolf und Winkelmaß. Von mitteleuropäischen Standorten aus kann er zwischen Dezember 2023 und Februar 2024 auch recht tief über dem morgendlichen Nordosthorizont ausgemacht werden, doch ist er primär ein Objekt des Abendhimmels. Steht er zu Sichtbarkeitsbeginn bei Dämmerungsende nahezu im Zenit, so verliert er in den Folgemonaten kontinuierlich an Höhe und wird in der ersten Aprilwoche 2024 über dem WNW-Horizont verschwinden. Die Erde wird die Kometenbahnebene am 8. Dezember 2023 und am 6. Juni 2024 kreuzen.

Wie bereits in den beiden vorangegangenen Periheldurchgängen zeigte der Komet auch dieses Mal eine sehr interessante Entwicklung mit mehreren Helligkeitsausbrüchen, und einer bei den ersten Ausbrüchen kurzfristig ungewöhnlichen Morphologie der Koma. Am auffälligsten war der große Helligkeitsanstieg vom 20./21. Juli 2023 mit einer Amplitude von 5m (von 16.5m auf 11.5m)! Interessanterweise hielt der Komet in der Folge diese wesentlich größere absolute Helligkeit bei. In den folgenden Monaten zeigte der Komet zwei weitere größere und mehrere kleinere temporäre Ausbrüche. Während die größeren Ausbrüche durchweg die Gesamthelligkeit beeinflussten und zu einer signifikanten Komaausdehnung führten wirkten sich die kleineren Ausbrüche eher auf die Helligkeit der kernnahen Komabereiche und den DC-Wert aus und nur in geringem Maße (oder gar nicht) auf die Gesamthelligkeit und den Komadurchmesser. Dabei zeigte der Komet bei den ersten Ausbrüchen eine flächenhelle kompakte Koma mit einem kurzen Schweifansatz, der einen "Schatten" hinter dem Kern aufwies und somit die Form zweier "Hörner" hatte. Bis Ende April 2024 wurden folgende Helligkeitsausbrüche gemeldet: 20./21. Juli 2023 (Gesamthelligkeit: Amplitude: 5m), 3. September (≈0.4m), 23./24. September (0.9m), am 4./5. Oktober (4.0m), 22./23.Oktober (≈0.4m) und 30./31. Oktober (≈0.4m), 14./15. November (großer Ausbruch), 30. November / 1. Dezember, 13./14. Dezember, 23. Dezember, 17./18. Januar 2024 (großer Ausbruch), 29. Januar, 29. Februar/1. März (kernnah: ≈0.5m) und 2./3. April (kernnah: ≈1.0m, Gesamthelligkeit: 0.5m). Das Verhalten kann recht gut mit gleitenden, gewichteten 3-Tages-Mitteln nachvollzogen werden.

Gleitende, gewichtete 3-Tages-Mittelwerte von Helligkeit, scheinbarem Komadurchmesser und DC-Wert

Die letzten Ausbrüche waren nicht mehr so spektakulär wie die in der zweiten Jahreshälfte 2023, doch führte der letzte gelistete Ausbruch immerhin dazu, dass der Komet am 5. April 2024 seine Maximalhelligkeit von 3.9m erreichte.

Auf der Basis von 1201 Beobachtungen von 90 Beobachtern (bis Ende September 2024) können vor dem Perihel drei Phasen der Helligkeitsentwicklung unterschieden werden. Da der Komet während der zweiten Entwicklungsphase mehrere große Ausbrüche zeigte und die Helligkeit somit starken Schwankungen unterlag, stellen die entsprechenden Parameterwerte Mittelwerte dar. Im Gegensatz zur turbulenten Entwicklung vor dem Perihel zeigte sich der Komet nach dem Perihel geradezu bieder, mit einer sehr stetigen Entwicklung. Die insgesamt vier Entwicklungsphasen können gut mit den nachfolgenden Helligkeitsparametern simuliert werden:

t < -275d: m0 = 11.0m / n=2
-275d < t < -120d: m0 = 3.6m / n=4
-120d < t < 0d: m0 = 4.3m / n=4.7
t > 0d: m0 = 4.8m / n=4.3

Nach dem Perihel ging die Helligkeit bis Anfang August 2024 von 4.5m auf 9.5m zurück, bis Ende September auf 12.0m.

Scheinbare Helligkeit und Komadurchmesser (Standard-Zeitachse)

Scheinbare Helligkeit und Komadurchmesser (gestauchte Zeitachse)

Die Entwicklung von Komadurchmesser und Kondensationsgrad bilden das Ausbruchsverhalten ebenfalls ab. Kurz nach einem Ausbruch zeigte sich die Koma klein und extrem verdichtet. In den folgenden Tagen vergrößerte sich der Komadurchmesser merklich, bis sich die äußeren Bereiche der immer diffuser werdenden expandierenden Koma nicht mehr vom Himmelshintergrund abhoben. Kurz danach erfolgte der nächste Ausbruch mit einer zunächst kleinen Koma mit hoher Flächenhelligkeit, die in den folgenden Tagen bei abnehmender Flächenhelligkeit expandierte. Aufgrund der Annäherung des Kometen an Sonne und Erde erreichte der scheinbare Komadurchmesser bei jedem Ausbruch einen größeren Maximalwert (5' beim ersten, 7' beim dritten großen Ausbruch). Der größte scheinbare Komadurchmesser wurde Mitte März 2024 mit 8.5' erreicht. Nach dem Perihel vergrößerte sich der Komadurchmesser zunächst nochmals von 5.5' zum Perihelzeitpunkt auf 8' Ende Mai, um danach bis Anfang August auf 3' und bis Ende September auf 2' zurückzugehen. Absolut erreichte die Koma beim ersten Ausbruch einen Durchmesser von 800.000 km (Mitte August 2023) und beim Ausbruch vom 30./31. Oktober einen Maximalwert von 900.000 km (Mitte November). Hingegen maß die Koma Mitte März 2024 lediglich 625.000 km. Nach dem Perihel vergrößerte sich der absolute Komadurchmesser zunächst nochmals von 400.000 km zum Perihelzeitpunkt auf 550.000 km Ende Mai, um danach bis Anfang August auf 275.000 km und bis Ende September auf 250.000 km zurückzugehen.

Auch der Kondensationsgrad veränderte sich parallel zu den Helligkeitsausbrüchen. Jeweils zu Beginn war der DC-Wert extrem hoch (bis DC 9) und ging dann rasch bis auf DC 1 bis DC 2 zurück. Im weiteren Verlauf verringerte sich der Maximalwert und die Amplitude der Variationen des Kondensationsgrads. Dennoch sind alle Ausbrüche in den gewichteten 3-Tages-Mittelwerten gut dokumentiert. Das Diagramm deutet beim Kondensationsgrad einen weiteren, wohl nur kernnahen, Ausbruch um den 25. April an. Nach dem Perihel ging der Koma-Kondensationsgrad von DC 6-7 auf DC 3 Ende September zurück.

Sichtungen des Staubschweifs gelangen zwischen Sommer 2023 und August 2024. Dieser erreichte um den 27. März 2024 eine maximale visuelle Länge von 1.5° (12 Mill. km). Der nachfolgende Rückgang in den gemeldeten Schweiflängen dürfte den zu der Zeit rasch schlechter werdenden Beobachtungsbedingungen geschuldet sein. Neben dem Staubschweif zeigte sich ab Ende Januar ein Gasschweif, dessen Aktivität und Helligkeit mit der Annäherung an das Perihel deutlich zunahmen. Auf einer Aufnahme von Michael Jäger vom Abend des 2. April ist ein 8° langer Gasschweif und ein 1.5° langer Staubschweif abgebildet. Nach dem Perihel konnte ein Schweif visuell bis Mitte Juni, per CCD bis Anfang Juli nachgewiesen werden. Dieser erreichte um den 12. Mai eine maximale visuelle Schweiflänge von 1.7° (12 Mill. km). Im Sommer 2023 war der Staubschweif nach West orientiert. Von September 2023 bis Mitte Februar 2024 drehte er langsam von Südost über Ost nach NNW, um danach bis Ende August wieder über Ost nach SSO zurückzudrehen.

Am Abend des 15.11.23 konnte Gerhard Scheerle den Kometen als stellares Objekt im 9x63B ausmachen; im 23.5T, 181x zeigte sich der Komet deutlich im Ausbruch; die innere, 0.8' große Koma präsentierte sich sehr kompakt und hell; die Helligkeit des false nucleus schätzte er auf 12.0m. Am 17.11. beobachtete er im 23.5T, 112x eine sehr helle innere Koma von 1.2' Durchmesser und bei 181x einen 12.8m hellen false nucleus. Volker Kasten konnte den Kometen selbst im 15x50B erkennen; den DC-Wert konnte er im 20x80B nur unsicher festlegen. Am 24.11. präsentierte sich ihm der Komet im 20x80B unscheinbarer als am 17.11., wobei die Koma möglicherweise hoch verdichtet war. Andreas Kammerer beobachtete den Kometen am 3.12. von Karlsruhe aus nahe der Wega: im 20.3T, 50x war er ein einfaches Objekt mit mäßig verdichteter Koma; bei 111x konnte er keinen false nucleus heller als 12.5m ausmachen. Gerhard Scheerle schätzte die Helligkeit des false nucleus im 23.5T, 181x auf 13.0m. Am 16.12. beobachtete Andreas Kammerer den Kometen aus dem Schwarzwald heraus: im 12.5T, 48x zeigte er sich als überraschend unauffälliges Objekt mit einer kleinen zentralen Verdichtung.
Gerhard Scheerle konnte am 10.1.24 im 23.5T, 181x keinen false nucleus erkennen. Volker Kasten beobachtete den Kometen am 1.2. im 20x80B unter diesigen Bedingungen. Am Abend des 28.1. schätzte Gerhard Scheerle die Helligkeit des false nucleus im 23.5-SC, 181x auf 12.6m, am 2.2. auf 12.4m und am 5.2. auf 13.2m. Die Beobachtung von Volker Kasten am 12.2. erfolgte unter stark diesigen Bedingungen. Am 17.2. konnte er den Kometen vor einem aufgehellten Himmelshintergrund im 20x80B ausmachen, wobei er einen Schweifansatz vermutete. Gerhard Scheerle beobachtete am 23.2. im 23.5-SC, 112x eine leicht grünliche Koma und schätzte die Helligkeit des false nucleus bei 181x auf 11.6m. Am 25.2. schätzte er die Helligkeit des false nucleus im 23.5-SC, 181x auf 12.0m. Volker Kasten vermutete im 20x80B trotz Aufhellung durch den Mond einen Schweifansatz. Am 29.2. beobachtete Gerhard Scheerle im 23.5-SC, 112x erneut eine deutlich grünliche Koma; bei 181x schätzte er die Helligkeit des false nucleus auf 11.6m.
Am Abend des 2.3. vermutete Volker Kasten im 15x50B einen Schweifansatz bei PW=18°. Gerhard Scheerle beobachtete am 3.3. im 23.5-SC, 112x eine leicht grünbläuliche Koma; bei 181x schätzte er die Helligkeit des false nucleus auf 11.8m. Andreas Kammerer beobachtete am gleichen Abend von Äkäslompolo (Finnisch-Lappland) aus im 9x63B eine mäßig große, stark verdichtete Koma hoher Flächenhelligkeit. Am 5.3. beobachtete er vom gleichen Standort aus im 9x63B einen unveränderten Kometen. Am 7.3. zeigte sich die Koma von Äkäslompolo aus erneut unverändert, doch konnte Andreas Kammerer im 9x63B den Schweif schwach erkennen. Volker Kasten stellte im 15x50B und im 20x80B ein fast sternförmiges Zentrum fest. Am 8.3. schätzte Volker Kasten die Helligkeit der fast sternförmigen zentralen Verdichtung im 20x80B auf 8m. Gerhard Scheerle beobachtete am 11.3. im 23.5-SC, 112x eine merklich grünbläuliche Koma; bei 181x schätzte er die Helligkeit des false nucleus auf 11.4m. Am 16.3. vermutete Volker Kasten im 15x50B einen Schweifansatz bei PW=27°. Am 19.3. beobachtete Gerhard Scheerle im 23.5-SC, 112x einen breit gefächerten (PW= 5°...65°) Schweif, der seitlich kürzer war; bei 181x schätzte er die Helligkeit des false nucleus auf 10.6m. Am 25.3. konnte Gerhard Scheerle den Kometen mit bloßem Auge als sternähnliches Objekt eben noch erkennen; im 23.5-SC, 112x zeigte sich die Koma erneut grünlich; bei 181x schätzte er die Helligkeit des false nucleus auf 10.8m. Andreas Kammerer beobachtete von Karlsruhe aus bei Vollmond im 9x63B eine deutlich verdichtete Koma vor dem aufgehellten Himmelshintergrund. Gerhard Scheerle konnte den Kometen am 28.3. mit dem bloßen Auge als sternähnliches kleines Wölkchen ganz schwach wahrnehmen; im 23.5-SC, 112x beobachtete er eine deutlich grünliche Koma; die Helligkeit des false nucleus schätzte er auf 10.6m. Andreas Kammerer konnte im 9x63B von Karlsruhe aus den Schweif schwach vor dem aufgehellten Himmelshintergrund erkennen.
Am 1.4. beobachtete er von Karlsruhe aus im 9x63B eine hochverdichtete Koma und konnte den Schweif schwach vor dem Himmelshintergrund erkennen; im 20.3-SC, 50x zeigte sich eine helle zentrale Verdichtung, aber ansonsten keine weiteren Details. Am 10.4. gelang Andreas Kammerer seine letzte Beobachtung von Völkersbach aus bei einer Kometenhöhe von nur 6° (mit dem Mond und Jupiter jeweils 4° vom Kometen entfernt): im 9x63B stellte er eine hochverdichtete Koma und einen schwachen Schweif fest.

Beobachtungen mit dem 0.6m-TRAPPIST-Teleskop am 7. Oktober 2023 (r = 3.03 AE, 196 Tage vor dem Periheldurchgang) ergaben die folgenden Produktionsraten (Moleküle/s): OH: <10×1027, CN: 1.9×1025, C2: 2.5×1025, Af(rho): 6715 cm (Astronomer’s Telegram No. 16282). Am 12. November (r = 2.61 AE, 160 Tage vor dem Periheldurchgang) wurden die folgenden Produktionsraten (Moleküle/s) ermittelt: OH: <20×1027, CN: 6.7×1025, C2: 6.1×1025, Af(rho): 1930 cm (Astronomer’s Telegram No. 16338). Nach dem großen Ausbruch am 14. November ergaben sich am 15. November (r = 2.57 AE, 157 Tage vor dem Periheldurchgang) die folgenden Produktionsraten (Moleküle/s): OH: 140×1027, CN: 95×1025, C2: 76×1025, Af(rho): 11800 cm (Astronomer’s Telegram No. 16338). Am 25. Februar 2024 ergaben sich die folgenden Produktionsraten: OH: 1.5×1029, CN: 4.4×1026, C2: 8.0×1026, Staub: Af(rho); 17000. Am 29. Februar wurde ein kernnaher Helligkeitsanstieg um 0.9m festgestellt (CBET 5369). Die Rotationsperiode wurde zu 57 ± 1 Stunden bestimmt (ATel 16508).

Andreas Kammerer

FG-Beobachtungen


Zurück...