Auswertungen abgeschlossener Kometensichtbarkeiten

C/2002 V1 (NEAT)


Am 6. November 2002 glückte erneut dem NEAT-Team eine Entdeckung, dieses Mal im Grenzbereich der Sternbilder Stier/Orion. Der 16m helle Komet C/2002 V1 (NEAT) wies eine 0.4' große Koma und einen 0.4' langen Schweif in PW=250° auf. Gemäß den aktuellen Bahnelementen würde dieser Komet der Sonne am 18. Februar sehr nahe kommen (IAUC 8010/11). Ob er diese große Annäherung allerdings überstehen würde war gemäß der empirischen Formel von Bortle ziemlich unsicher, da er bei der Entdeckung lediglich eine absolute Helligkeit von 11.5m aufwies. Sollte er seine Helligkeit dennoch wie ein Standardkomet steigern können, so würde er im Perihel eine scheinbare Helligkeit von 1-2m und eine scheinbare Schweiflänge von 5° erreichen - bei einer Elongation von lediglich 6°. Heller als 10m wäre er lediglich von Ende Januar bis Anfang März, heller als 6m etwa vom 12. bis 23. Februar. Für Mitteleuropa würde er - eine Sonnendepression von lediglich 12° angenommen - bereits um den 10. Februar über dem abendlichen Westhorizont verschwinden.

Komet NEAT überraschte in sehr positiver Weise. Ab Mitte November zeigten Beobachtungen eine erkennbar größere Helligkeit als erwartet. So fotografierte Michael Jäger den 1.5' großen Kometen am Abend des 11. November bei einer Helligkeit von 14.0 ±0.5m - eine Größenklasse heller als erwartet.

In den folgenden Wochen nahm seine Helligkeit rapide zu. Hätte er diese Entwicklung bis zum Perihel durchgehalten, wäre seine Helligkeit bis auf etwa -15m angestiegen! Somit war ziemlich klar, daß er entweder vorzeitig auseinanderbrechen würde oder sich die Helligkeitsentwicklung drastisch abschwächen mußte. Letzteres geschah dann auch um den 5. Januar, als der Komet bereits 7.5m hell geworden war. Von diesem Zeitpunkt an betrug der Wert des Aktivitätsfaktors n nur noch ein Drittel des Anfangswertes, was aber noch immer eine Maximalhelligkeit von etwa -0.5m ergab.

Entwicklung der heliozentrischen Helligkeit

Für die nachfolgende Auswertung konnten 54 Beobachtungen von 8 FGK-Beobachtern sowie 380 internationale Beobachtungen berücksichtigt werden. Während der Helligkeitsanstieg vor dem Perihel in zwei deutlich unterschiedliche Phasen unterteilt werden muß, verlief der Helligkeitsrückgang nach dem Perihel bis Anfang April sehr stetig. Die weitere Entwicklung bleibt unklar, da trotz ausreichender Horizonthöhen für Südhemisphärenbeobachter bislang keine Beobachtungen nach der zweiten Aprilwoche bekannt wurden. Formelmäßig sieht dies wie folgt aus:

vor dem Perihel: T < 42d: m = 5.4m + 5×log D + 24 × log r
T > 42d: m = 7.0m + 5×log D + 7.2 × log r
nach dem Perihel: m = 5.8m + 5×log D + 6.1 × log r

Helligkeit und scheinbarer Komadurchmesser

Mit diesen Formeln ergibt sich für den Abend des 15. Februar (letzte Sichtungen vor dem Perihel) eine Helligkeit von 1.3m, im Perihel von -0.3m und für den 25. Februar (erste Sichtungen nach dem Perihel) von 3.0m. Nicht ungewöhnlich für einen Kometen war die absolute Helligkeit nach dem Perihel größer, der Aktivitätsparameter kleiner als vor dem Perihel. Alle Versuche, den Kometen in den Tagen seines Periheldurchgangs mit dem bloßen Auge oder dem Fernglas zu sichten, blieben erfolglos. Somit kann festgehalten werden, daß es nicht möglich ist, einen 0m hellen Kometen im Abstand von weniger als 10° von der Sonne zu sichten. Die SOHO-Sonde konnte den Kometen hingegen in voller Pracht verfolgen.

Der Komadurchmesser lag zu Beginn der visuellen Sichtbarkeit Ende November 2002 bei 1.5' (80.000 km), stieg dann aber bis zum Zeitpunkt des Helligkeitsbruchs vor dem Perihel (5.1.03) auf 12' (440.000 km) an. Bis zum Periheldurchgang ging der Komadurchmesser dann deutlich zurück, wobei dies primär sicherlich ein Ausdruck der deutlich zurückgegangenen Aktivität war. Nicht unerheblich zur Abnahme beigetragen hat aber auch der stetig stärker werdende Sonnenwind und - zumindest in der letzten Woche vor dem Verschwinden - die schlechter werdenden Sichtbedingungen. Entsprechend betrug der Komadurchmesser zu Beginn des Februar noch 8' (250.000 km), um den 15. Februar nur noch 2' (80.000 km). Die ersten Sichtungen nach dem Perihel (in geringer Höhe und in der Dämmerung) zeigten eine knapp 2' (90.000 km) große Koma, die aber bis zum 5.4. auf etwa 5' (450.000 km) anstieg. Beim Vergleich der Werte des absoluten Komadurchmessers vor und nach dem Perihel muß berücksichtigt werden, daß sich der Komet der Erde bis Ende Dezember zunächst näherte (Minimaldistanz 0.80 AE) und in der Folge eher langsam wieder entfernte, während er sich nach dem Perihel sowohl von der Sonne als auch der Erde recht rasch entfernte (Anfang April betrug die Erddistanz bereits 2 AE!).

Die Koma selbst zeigte bis zum Zeitpunkt des Helligkeitsbruchs nur eine geringe Verdichtung (DC 3-4), im Teleskop war eine zentrale Kondensation eher angedeutet. In den folgenden Wochen verdichtete sich die Koma dann aber stetig und zeigte im Teleskop eine immer stärker hervortretende zentrale Kondensation, in der ein sternförmiger false nucleus schwach sichtbar wurde. Anfang Februar war die Koma dann hochverdichtet (DC 8-9) und präsentierte sich im Fernglas eher als "verwaschener Stern". Im Teleskop war ein dominierender sternförmiger false nucleus zu beobachten, der sich im Brennpunkt einer parabelförmigen Koma befand, welche nur wenig heller als der in voller Breite abgehende Schweif war. Dies galt auch für die ersten Tage nach dem Perihel, doch ging der Kondensationsgrad danach rasch zurück. Nach dem 10. März sind die Schätzungen sehr uneinheitlich, scheinen aber eine starke Verlangsamung des Rückgangs des DC-Wertes anzudeuten.

Erste visuelle Schweifschätzungen wurden zum Jahreswechsel 2002/03 gemeldet. Erst ab dem 20. Januar wurde dieser dann aber zunehmend auffälliger und länger. Kurz vor seinem Verschwinden betrug die Schweiflänge um die 3.5° (8 Mill. km). Die ersten Sichtungen nach dem Perihel erfolgten am Dämmerungshimmel, weshalb die gemeldeten Schweiflängen nicht aussagekräftig sind. Die wenigen bislang vorliegenden Schätzungen deuten allerdings an, daß die maximale Schweiflänge nach dem Perihel jener vor dem Perihel entsprach. In der Folge ging die Schweiflänge rasch zurück und lag Ende März bereits unter 1°. Der Schweif war zu Beginn nach Norden gerichtet, drehte im weiteren Verlauf zunächst nach ONO, um bis zum Perihel dann wieder auf Nord zurückzudrehen. Nach dem Perihel war er zunächst nach Süd und im weiteren Verlauf nach Südost gerichtet.

Schweiflänge

Beobachtungen im Mikrowellenbereich vom 9.1.03 zeigten Silikat-Linien. Das Kontinuum konnte mit einer Schwarz-Körper-Temperatur von 290 K in Einklang gebracht werden, was 14% über der Strahlungstemperatur von 254 K lag. In der folgenden Nacht erschien der Komet in diesem Frequenzbereich 10% heller (IAUC 8050). Infrarotbeobachtungen vom 11.1. bestätigten die Silikat-Linien und gaben darüberhinaus Hinweise auf kristallines Olivin (IAUC 8053). Die aktuellen Bahnelemente ergeben eine Umlaufszeit von grob 30.000 Jahren. Dies wie auch der Helligkeitsverlauf deuten darauf hin, daß der Komet C/2002 (NEAT) der Sonne wohl nicht zum ersten Mal nahe kam.

Radiobeobachtungen während der Tage um das Perihel zeigten die Wasser-Maser-Linie im Spektrum des Kometen. Die neutralen Wassermoleküle zeigten dabei Geschwindigkeiten von bis zu 122 km/s relativ zum Kern. Ähnlich außergewöhnlich hohe Geschwindigkeiten waren bereits beim Kometen Hyakutake nahe dem Perihel gemessen worden (normalerweise liegen die Geschwindigkeiten bei etwa 1 km/s). Eine mögliche Erklärung ist, daß der Kern von einer größeren Wolke von Eiskristallen umgeben ist, die durch die intensive Sonneneinstrahlung ionisiert sind und somit durch den Sonnenwind stark beschleunigt werden können. Der große koronale Massenauswurf jener Tage könnte ebenfalls zu den sehr hohen Geschwindigkeiten beigetragen haben (IAUC 8094).

Michael Jäger konnte den Kometen am Abend des 23.11.02 mit seiner 8"-Schmidtkamera als 13.0-13.5m helles Objekt fotografieren. Am 28.11. bestimmte er die Helligkeit zu 12.8m und den Komadurchmesser zu 4', am 1.12. ergaben sich bereits 12.0±0.5m und 6-7'. Gemäß Maik Meyer erschien der Komet am 8.12. mit einem Lumicon Swan Band Filter deutlich heller. Andreas Kammerer kann am 11.12. im 30cm-Cassegrain ein schwaches Objekt erkennen; die Koma wies eine erkennbare Verdichtung zur Mitte hin auf; bei 242x konnte kein false nucleus heller als 13.5m festgestellt werden.
Auf einer Aufnahme vom Abend des 3.1.03 bestimmte Michael Jäger die Helligkeit zu 7.5m, den Komadurchmesser zu 10' und den Schweif zu 45' (in PW=80°); der Durchmesser hatte nach seinen Angaben in den vergangenen Tagen nicht weiter zugenommen, doch hatte sie sich deutlicher verdichtet. Leichter Dunst behinderte Andreas Kammerer am 5.1. etwas; der Komet war dennoch deutlich als mäßig kondensiertes Nebelobjekt erkennbar. Trotz Mond zeigte der Komet am 7.1. laut Walter Kutschera wunderschöne Strukturen in der Koma (inkl. Streamer), wobei die Koma in Sonnenrichtung abgeplattet wirkte. Am folgenden Abend, 8.1., wirkte der Komet auf ihn wesentlich kompakter; der Mond störte aber ziemlich. Auch Volker Kasten störte unser 5.9d alter Trabant an diesem Abend. Weniger störend empfand ihn dieser hingegen am darauf folgenden Abend, 9.1., obwohl er nur 13° vom Kometen entfernt stand, da es weniger dunstig war. Am 11.1. trat nach seinen Angaben im 14x100B ein kleines Helligkeitszentrum der Helligkeit 9m am SW-Rand der Koma blickweise hervor; im 114/600-Refraktor zeigte die Koma bei V=30x ebenfalls eine kleine, hellere Zentralpartie mit DC 3-4, es war aber kein sternförmiger false nucleus zu erspähen, auch nicht bei V=100x. Andreas Kammerer beobachtete im Fernglas ein diffuses Nebelobjekt mit eher geringer Kondensation; im 8"SC, 50x hingegen erwies sich die Koma als überraschend deutlich kondensiert (DC 5); bei 161x konnte der Durchmesser der zentralen Kondensation, innerhalb derer ein sternförmiger, ca. 11.5m heller false nucleus eher zu erahnen war, zu ca. 30" bestimmt werden. Am 12.1. beobachtete er im Fernglas ein kondensiertes Nebelobjekt; im 8"SC, 50x war die Koma erneut deutlich kondensiert (DC 5); bei 161x erschien die zentrale Kondensation, innerhalb derer ein sternförmiger, ca. 12.0m heller false nucleus blickweise zu erkennen war, ca. 30" groß. Am 17.1. kann er den Kometen, trotz Vollmond, im Fernglas gut erkennen, wobei dieser deutlich kondensierter erschien; im 8"SC, 50x zeigte er wieder die helle zentrale Kondensation; bei 161x meinte er blickweise ein paar Mal einen sternförmigen false nucleus erkennen zu können. Wegen Mondlicht und dünnen Wolken meinte Volker Kasten, daß für ihn wohl nur die helleren Komateile sichtbar waren. Am 20.1. konnte Volker Kasten den Kometen für einige Minuten durch dünne Wolken erkennen. Am 25.1. beobachtete Andreas Kammerer im Fernglas eine stark verdichtete Koma und einen schwachen Schweif; im 12"SC, 75x war der Schweif gut erkennbar (er ging in voller Breite von der Koma ab); die Koma wies eine helle zentrale Kondensation auf, innerhalb derer bei 242x ein sternförmiger, ca. 12.0m heller, false nucleus eben erkennbar war. Auch auf Walter Kutschera wirkte der Komet wesentlich kondensierter; in der Koma konnte er Strukturen erkennen. Für den 30.1. meldete er eine schön ausgeprägte Koma mit strukturiertem Schweif.
Am 3.2. erkannte Volker Kasten einen schlanken, eher matten Schweif, der sich nur wenig nach hinten verbreiterte; die Koma erschien ihm leicht bläulich. Am 4.2. konnte Andreas Kammerer den Kometen durch eine kurze Wolkenlücke (bei leider aufgehelltem Himmelshintergrund) sehen: er erkannte eine hochverdichtete Koma sowie komanahe Schweifpartien. Volker Kasten erschien die Koma am 6.2. leicht türkisfarben. Walter Kutschera meldete eine schön ausgeprägte Koma mit einem strukturierten Schweif, der sich nach 2° Länge auffächerte. Andreas Kammerer konnte den Kometen erneut durch eine Wolkenlücke beobachten, wobei der Mond den Hintergrund aufhellte: im Fernglas erschien er ihm nahezu sternförmig mit einem eher schwachen, aber dennoch deutlich sichtbaren Schweif; im 8"SC, 50x zeigte sich ein sehr heller, sternförmiger false nucleus nahe der Spitze einer parabelförmigen, ca. 1' kleinen, eher schwachen Koma; der Schweif ging in voller Breite von der Koma ab. Am 9.2. hellte der Mond nach Angaben von Andreas Kammerer den Hintergrund erkennbar auf; im Fernglas zeigte sich ein sternförmiges Zentrum, welches von einer schwächeren Koma umgeben war, an die sich ein deutlich erkennbarer, im Verlauf breiter werdender Schweif anschloß; im 9cm-Maksutov, 39x präsentierte sich ein sehr heller, sternförmiger false nucleus nahe der Spitze einer schwachen parabelförmigen Koma; der Schweif ging in voller Breite von der Koma ab. Am 10.2. (Mond im ersten Viertel) beobachtete Walter Kutschera eine sehr kondensierte Koma mit einem schönen Ansatz.

Andreas Kammerer

FG-Beobachtungen


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