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C/2011 W3 (Lovejoy)


Der australische Amateur Terry Lovejoy fand auf seinen CCD-Aufnahmen vom 27. und 29. November 2011, die er im Rahmen seines Kometensuchprogramms mit einem C8 aufgenommen hatte, einen 13.0m hellen Kometen im Sternbild Zentaur. Komet C/2011 W3 (Lovejoy) zeigte eine etwa 1' große Koma mit einer zentralen Verdichtung der Helligkeit 16m, aber keinen erkennbaren Schweif. Am 1. Dezember stellte er eine 1.2' große, deutlich verdichtete Koma fest, die im Vergleich zur ersten Beobachtung bereits eine Größenklasse heller geworden war. Aufnahmen des Cerro Tololo Observatoriums vom 2. Dezember zeigten einen 50" langen, breiten Schweif in PW=327°. Rasch wurde klar, dass es sich um einen Kometen der Kreutz-Gruppe handelt, der der Sonne am 16. Dezember bis auf 0.006 AE nahe kommen würde. Unter der Annahme eines Aktivitätsfaktors, der für helle Kreutz-Gruppen-Kometen typisch ist (n=4), wurde eine Maximalhelligkeit irgendwo zwischen -5m und -8m prognostiziert, wobei sich der Komet aber zu diesem Zeitpunkt extrem nahe der Sonnenscheibe befinden würde (IAUC 9245 / CBET 2931 / MPEC 2011-Y19). Von Mitteleuropa aus konnte er zu keinem Zeitpunkt in der Dämmerung beobachtet werden, da er steil von Süden kam, die Sonne knapp nördlich passierte und danach wieder steil nach Süden wanderte. Auch ein Schweif wäre lediglich in der hellen Morgendämmerung sichtbar gewesen, hätte allerdings nur einen Winkel von etwa 25° gegen den Horizont gebildet.

Da der Komet, gemäß der empirischen Formel von John Bortle, eine für seine extreme Sonnennähe zu kleine absolute Helligkeit aufwies, wurde allgemein angenommen, dass er die Sonnenpassage nicht überleben würde. Doch der Komet C/2011 W3 (Lovejoy) überraschte die astronomische Gemeinde beeindruckend, denn er überlebte nicht nur die extreme Sonnennähe sondern wurde darüber hinaus für wenige Tage zu einem spektakulären Objekt am Morgenhimmel der Südhemisphären-Beobachter!

Die wenigen Beobachtungen vor dem Perihel zeigten zwar eine stetige Helligkeitssteigerung von 12.0m am 1. Dezember auf 8.5m am 9. Dezember, doch war sie aufgrund der geringen Horizonthöhen unsicher und ließ keine verlässlichen Prognosen zu.

Während seiner Annäherung an die Sonne geriet der Komet am Morgen des 14. Dezember ins SOHO-Gesichtsfeld, wobei er bereits einen deutlichen, wenn auch eher kurzen Staubschweif aufwies. Mit abnehmender Sonnendistanz wurde er stetig heller, ebenso der Staubschweif, der zudem länger und breiter wurde und eine immer stärkere Krümmung aufwies. Um 20hUT, wenige Stunden vor der Perihelpassage, konnte kurzzeitig zudem ein dünner Gasschweif festgestellt werden. Die Helligkeit wurde zu diesem Zeitpunkt auf etwa -3m geschätzt.

Im Zeitraum 15.12. 21hUT bis 16.12. 3hUT befand sich der Komet hinter der SOHO-Blende, während der Staubschweif nahezu unverändert bezüglich Standort und Gestalt blieb! Um 3hUT trat der Komet wieder hinter der Blende hervor. Er erschien als helles, winziges Objekt ohne erkennbaren Schweif (der sich aber möglicherweise mit dem Spike überlagerte). Ab 10hUT war wieder deutlich ein heller, wenn auch kurzer Staubschweif erkennbar, während der Staubschweif des Anfluges nun doch deutlich schwächer und diffuser geworden war. Ab etwa 20hUT zeigte sich zudem wieder der Gasschweif, wäh-rend sich der Anflugs-Schweif nun nahezu aufgelöst hatte. Mit dem Solar Dynamics Observatory (SDO) gelangen zahlreiche Aufnahmen des Kometen in extremer Sonnennähe (bis kurz vor bzw. nach der größten Sonnennähe), die einen Eindruck von der extrem hohen Dynamik des Geschehens geben. Als Videosequenz zusammengesetzt zeigen sie den Kometen als mächtig abrauchenden Körper mit extrem verwirbeltem und verwehendem Schweif. Die Versuche, den Kometen am Taghimmel aufzufinden, schlugen nahezu alle fehl. Lediglich Terry Lovejoy konnte ihn am 16.12. gegen 18hUT - sehr verrauscht - auf CCD bannen; er schätzte die Helligkeit auf etwa -1m. Rick Baldridge und Brian Day gelang am 16.12. um 19:48 UT eine visuelle Sichtung am Taghimmel: Am Foothill College Observatory (Kalifornien) beobachteten sie den Kometen mit dem dortigen 16"SC-Teleskop - das auf 3" abgeblendet war - nur 4° neben der Sonne als ca. -1m helles sternförmiges Objekt mit einem schwachen, diffusen 20" langen fächerförmigen Koma- bzw. Schweifansatz.

Dem Brasilianer Alexandre Amorim gelang dann am 17.12. um 8:06 UT die erste visuelle Sichtung am hellen Dämmerungshimmel (Sonne nur 1° unter dem Horizont) nach dem Perihel: den praktisch sternförmigen Kometen schätzte er im 10x50B auf -2.9m, mit einem 0.2° langen Schweif in PW=240°. Das erste Bild (in der sehr hellen Dämmerung) gelang Jakub Czerny und Jan Ebr am 17.12. um 9hUT mit dem FRAM-Teleskop in Argentinien: der Komet zeigte eine sehr helle zentrale Kondensation und einen parabelförmigen Schweif mit einem dunkleren Zentalbereich; die Gesamthelligkeit schätzten sie auf -1m. Die ersten Fotos mit dem gesamten, über 10° langen Schweif (aber ohne Koma, die in der hellen Dämmerung unsichtbar blieb) gelangen am Morgen des 21. Dezember Colin Legg und Vello Tabur von Westaustralien aus. Diese zeigten eine Überlagerung von zwei Schweifen mit vielen Schweifstrukturen insbesondere in der Schweifmitte, die aber visuell nicht sonderlich auffällig waren (CBET 9246 / Comet's Mailing List).

Als der Kopf ab dem 22. Dezember beobachtet werden konnte, wirkte er überraschend unauffällig im Vergleich zum flächenhellen Schweif. Während der folgenden Tage wurde er - parallel zum Schweif - zunehmend blasser, so dass der Komet eher wie ein heller Schweif ohne Kopf wirkte. Dabei konnte aber immer die parabelförmige Koma als Startpunkt dieses Schweifs festgestellt werden. Und in größeren Teleskopen konnte auch ein blasser Spike, ausgehend vom Koma-Scheitelpunkt ausgemacht werden. Der Schweif hingegen war anfangs sehr auffällig und flächenhell (wobei sich in den ersten Tagen die hellsten Partien in der Schweifmitte befanden), so dass vom Großen Kometen 2011 oder Weihnachtskometen des Jahres 2011 gesprochen wurde. Sowohl die Gesamt- als auch die Flächenhelligkeit gingen jedoch im Verlauf der nächsten Tage stetig zurück, während der Schweif gleichzeitig länger wurde. Die maximale Länge von etwa 40° wurde an den letzten beiden Tagen des Jahres 2011 beobachtet. Nach den Feiertagen wurde der Komet allmählich für das bloße Auge unauffällig, noch verstärkt durch die Tatsache, dass der Komet nun die Milchstraße passierte. Letztmals mit bloßem Auge konnte der Komet schemenhaft von dunklen Standorten aus in den ersten Januartagen 2012 ausgemacht werden. Entsprechend der zunehmenden Schwierigkeit, den Kometen überhaupt auszumachen, ging die geschätzte Schweiflänge zurück. Tatsächlich dürfte diese aber noch ein paar Tage lang weiter zugenommen haben, was extrem kontrastverstärkte Aufnahmen andeuten.

Z. Sekanina modellierte folgendes Szenario: demnach kam es innerhalb einer sehr kurzen Zeit zu mehreren massiven Ausbrüchen, die zum Zeitpunkt Dez. 17.6 UT ihren Höhepunkt erreichten und zum Zeitpunkt Dez. 20.3 UT zu Ende waren (als die zentrale Verdichtung innerhalb der parabelförmigen Koma verschwand). Im Verlauf dieser Ausbrüche kam es zu einem massiven Massenverlust des Kerns, der sich aber sicher nicht völlig aufgelöst hat, was der auch am 3. Januar noch vorhandene Spike in Kernnähe bezeugt. Die größten freigesetzten Teilchen hatten die Ausmaße von Felsen. Komet Lovejoy ähnelt im Erscheinungsbild und in der Entwicklung dem kopflosen Sonnenkreuzer C/1887 B1. Allerdings löste sich bei diesem der Kern völlig auf und lediglich der Schweif konnte 19 Tage lang visuell ausgemacht werden (CBET 2967).

Für die Auswertung konnten lediglich 65 internationale Beobachtungen berücksichtigt werden. Der Grund für diese eher kleine Zahl liegt wohl in der Tatsache begründet, dass Schätzungen sowohl der Helligkeit (der Kopf war nicht auffälliger als der Schweif), des Komadurchmessers als auch der Schweiflänge (anfangs störte die Dämmerung, gegen Ende konnte er nur noch von sehr dunklen Orten aus sinnvoll ausgemacht werden) schwierig waren und sich daher viele Beobachter am staunenswerten Anblick einfach erfreuten bzw. diesen fotografisch festzuhalten versuchten. Auf der derzeit also eher kleinen Basis ergeben sich deutlich unterschiedliche absolute Helligkeiten vor und nach dem Perihel, bei insgesamt konstantem Aktivitätsparameter:

vor dem Perihel: m = 15.5m + 5×log D + 15×log r
nach dem Perihel: m = 10.0m + 5×log D + 15×log r

Helligkeit und scheinbarer Komadurchmesser

Eine Anwendung der Formeln zum Perihelzeitpunkt ergibt eine maximale Helligkeit zwischen -15m und -20m. Allerdings zeigen die SOHO-Aufnahmen klar, dass der Komet in den Stunden der größten Son-nennähe nicht nur den Schweif verlor, sondern auch deutlich an Helligkeit. Dabei habe ich die Helligkeit vor und nach dem Perihel immer in gleichen Abständen vom Zentrum des SOHO-Gesichtsbildes verglichen, um einen angenommenen Filtergradienten zu berücksichtigen. Somit scheint der Komet seine maximale Helligkeit tatsächlich bereits 4 Stunden vor dem Perihel bzw. 12 Stunden danach erreicht zu haben. Zu beiden Zeitpunkten ergeben die obigen Formeln eine Helligkeit von -8m.

Visuelle Schweiflänge

Der Komadurchmesser konnte erst einige Tage nach dem Auftauchen des Kometen unter einem halbwegs dunklen Himmel geschätzt werden. Dadurch, aber wohl auch aufgrund des abnehmenden Sonnenwindes wurden der Maximalwert um den 27. Dezember mit 15' (400.000 km) festgestellt. Der Koma-Kondensationsgrad lag vor dem Perihel bei DC 3-4. Gleich nach dem Auftauchen wurde er auf DC 8...9 geschätzt, fiel aber bis zum 24. Dezember steil auf DC 1 ab und lag nach den Weihnachtstagen bei DC 0. Die größte geschätzte Schweiflänge wurde am 29. Dezember mit etwa 40° (etwa 60 Mill. km) erreicht.

Andreas Kammerer


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