Logo
Home=Aktuelle Kometen| Die Fachgruppe | Anleitungen| Archiv: C/2010 X1 | Projekte+Publikationen | Kontakt

C/2010 X1 (Elenin)


Am 10. Dezember 2010 entdeckte Leonid Elenin mit einem 45cm-Remote-Teleskop einen 19.0m hellen Kometen im Sternbild Jungfrau. Komet C/2010 X1 (Elenin) wies eine tropfenförmige, 8" große, sehr diffuse Koma mit einer 20.5m hellen zentralen Verdichtung und einen 10-12" langen Schweif in PW=298° auf. Nach der ersten Bahnbestimmung wäre er bereits im April 2010 in recht großer Sonnendistanz durch das Perihel gelaufen und in den folgenden Wochen langsam schwächer geworden. Tatsächlich wird er der Sonne im September 2011 sehr nahe kommen und könnte dann die 6. Größenklasse erreichen. Diese Helligkeit sollte er noch bis um den 20. Oktober beibehalten, da er sich der Erde in jenen Tagen bis auf 0.22 AE annähert (IAUC 9189 / MPEC 2011-A38). Von Mitteleuropa aus wird er in der ersten Oktoberwoche über dem morgendlichen Osthorizont im Sternbild Löwe sichtbar. Bis zum Jahresende läuft er durch die Sternbilder Krebs, Zwillinge, Fuhrmann, Stier in den Widder, wobei seine Helligkeit auf 14m zurückgehen dürfte.

Die Hoffnungen, die der Komet geweckt hatte, verpufften im wahrsten Sinne des Wortes Ende August 2011. Es gab kein interessantes Feldstecherobjekt am herbstlichen mitteleuropäischen Morgenhimmel, da sich der Komet aufgelöst hatte. Die ersten Anzeichen bemerkte Michael Mattiazzo (Australien) bereits bei einem Vergleich seiner Aufnahmen vom 17. August und 22. August, die einen merklichen Helligkeitsrückgang anzeigten. Am 27. August zeigte sich der false nucleus elongiert und ziemlich diffus, was ihn an das Auseinanderbrechen des Kometen C/1999 S4 erinnerte. R.H. McNaught konnte diese Beobachtung mit dem 0.5m-Uppsala-Teleskop bestätigen, wobei er keinerlei zentrale Verdichtung mehr feststellen konnte (IAUC 9226). In den folgenden Tagen wurde der Komet zunehmend diffuser und schwächer, und konnte auf Aufnahmen vom 14. September praktisch nicht mehr nachgewiesen werden. Allerdings stand er in jenen Tagen auch nur noch knapp über dem Horizont.

Gespannt wartete die Kometengemeinde, ob nach dem Periheldurchgang noch ein Überrest des Kometen ausgemacht werden konnte. Juan Gonzalez meldete dann am 9. Oktober die Sichtung eines 6' großen, 10.7m hellen, extrem diffusen Objekts mit einem 0.2° langen Schweif an der erwarteten Position von seinem Bergstandort aus. Die Skepsis über diese Beobachtung war sehr groß, da lediglich ein weiterer Beobachter ebenfalls eine visuelle Sichtung meldete, CCD-Aufnahmen selbst mit großen Instrumenten aber keine Spur des Kometen zeigten. Dabei muss aber berücksichtigt werden, dass in jenen Tagen bereits der Mond zu stören begann und die Horizonthöhen des Kometen noch recht gering waren. Am 21. Oktober meldete dann Juan Gonzalez eine weitere visuelle Beobachtung: das extrem diffuse Objekt war nach seiner groben Schätzung 10.2m hell, schweifähnlich und konnte über eine Länge von 0.4° in PW=310° verfolgt werden. Es zeigte zwei nahezu runde Regionen gleicher Helligkeit (eine davon lag nahe der erwarteten Kometenposition), die leicht verdichtet erschienen und einen Durchmesser von 7' hatten. An diesem und den folgenden Tagen gelangen dann auch Aufnahmen des Überrests, wobei aber sehr lange Belichtungszeiten erforderlich waren, um diesen vor dem Hintergrund hervortreten zu lassen. Diese zeigen eine 90x10' große Aufhellung ohne jegliche Verdichtung, die auf der sonnenzugewandten Seite merklich besser definiert war als in der Gegenrichtung.

Die gesamte Entwicklung ist neben zwei FGK-Beobachtungen von 115 internationalen Beobachtungen dokumentiert. Demnach nahm die Helligkeit bis zum 15. August recht stetig von 15m auf 8.2m gemäß der Formel

m = 8.6m + 5×log D + 10.6×log r

zu. Danach ist im Diagramm klar erkennbar, dass es zu einem raschen Rückgang infolge der Auflösung kam. Die im Diagramm enthaltenen Werte nach dem Perihel beziehen sich auf die Trümmerwolke und müssen somit eher als Schweifüberrest denn als Koma interpretiert werden. Der steile Rückgang des Komadurchmessers zum Perihel hin ist primär durch die rasch schlechter werdenden Sichtbedingungen verursacht.

Helligkeit und scheinbarer Komadurchmesser

Der scheinbare Komadurchmesser dehnte sich während der Sichtbarkeit von 0.5' auf knapp 4' aus. Absolut gesehen dehnte sich die Koma von 40.000 km Anfang April bis auf 250.000 km am 1. August aus. Gleich danach begann bereits die Schrumpfung, so dass die Koma am 2. September nur noch 125.000 km maß. Diese dürfte zum einen durch den Auflösungsprozess, zum Teil aber auch infolge des zunehmenden Sonnenwindes verursacht worden sein. Interessanterweise wurde die Koma in den ersten Wochen der Sichtbarkeit stetig diffuser. Der DC-Wert ging von 6 um den 20. April auf 2-3 Mitte Juli zurück. Es folgte eine kurzfristige Phase der Verdichtung, in deren Folge der DC-Wert bis zum 15. August wieder auf 4-5 anstieg. Danach aber ging der DC-Wert drastisch zurück und betrug am 1.9. nur noch DC 1, am 5.9. DC 0.

Koma-Kondensationsgrad

Am 30. Juli 2011 konnte HCN festgestellt werden, wobei die Gasproduktionsrate 1.5×1025 Moleküle/s betrug, was mit der Produktionsrate des Kometen 103P/Hartley in der gleichen Sonnenentfernung vergleichbar war (IAUC 9223). Ein Versuch, die Gasproduktionsrate der Überreste des Kometen am 7. September mit dem Arecibo-Radioteleskop zu bestimmen, scheiterte (IAUC 9232).

Z. Sekanina leitet insgesamt folgendes Auflösungs-Szenario ab: demnach fand am 16. August (+/- 4 Tage) eine kurzfristige Staubfreisetzung statt, die mit dem Helligkeitsmaximum übereinstimmt. Da die hellste Stelle der Trümmerwolke auf der Bahnlinie liegt, befinden sich dort die größten Bruchstücke, die aber zum Zeitpunkt der Aufnahme, 23. Oktober, bereits im Zentimeterbereich gelegen haben dürften, da es seit der Auflösung zu einer kontinuierlichen Verkleinerung der Größe der Bruchstücke kam. Die gesamte Staub- und Trümmerwolke rotiert langsam im Uhrzeigersinn. Die Masse kann nur sehr grob auf 109 kg abgeschätzt werden (CBET 2876).

Uwe Pilz gelang am Morgen des 29. Oktober eine Sichtung des Überrests. Hier sein Bericht über diese schwierige Beobachtung: In meiner Vorplanung entschied ich mich für den 12cm-Kometensucher an Stelle des 12"-Dobson, da der Überrest dieses Kometen laut den im Internet veröffentlichten Beobachtungen sehr groß war. Denn kontrastschwache Objekte sieht man am besten, wenn sie eine scheinbare Größe von ~1° aufweisen. Die Breite des Überrests beträgt auf den CCD-Aufnahmen ~6'; mit einer 15-fachen Vergrößerung liegt man somit gut im Rennen. Ich habe einen Zenitspiegel mit 99%-iger Verspiegelung und als Okular entschied ich mich für ein Erfle (nicht allzu viel Glas) - auf solche Details kann es unter Umständen bei Grenzbeobachtungen ankommen. Um 3 Uhr bin ich rausgefahren, obwohl die Kulmination des Grenzgebietes Fuhrmann/Zwillinge erst nach 5 Uhr stattfand. Das war eine gute Idee, denn schon um 3 Uhr lag in den Senken Nebel, und als ich kurz vor 4 Uhr einpackte, waberten die ersten Nebelschwaden auch auf meinem Moränenhügel umher. Der Überrest ist gar nicht sooo schwer zu sehen, wenn der Himmel einigermaßen dunkel ist (die Grenzgröße bestimmte ich zu 6.5m). Er ist eben sehr groß und wird deshalb in großen Instrumenten leicht übersehen. Ich habe mehrmals die Himmelshelligkeit des von mir vermuteten/gesehenen Überrests mit der der Nachbargebiete verglichen, an unterschiedlichen Stellen im Okulargesichtsfeld (um Okulareffekte auszuschließen). Außerdem habe ich dreimal hingesehen, um nicht von schwachen Sternen in die Irre geführt zu werden. Insbesondere die Gruppe um SAO 58784 war tückisch. Insgesamt erinnerte mich die Sichtung an Beobachtungen des Gegenscheins mit dem freien Auge. Man sieht weniger ein "Objekt", sondern eher eine Variation der Hintergrundhelligkeit. Diese ist nicht allzu schwer zu erkennen, aber als ein Objekt - sozusagen auf einen Blick - ist der Überrest schwer wahrnehmbar.

Andreas Kammerer


Zurück...