Auswertungen abgeschlossener Kometensichtbarkeiten

8P/Tuttle

2007/08


Der periodische Komet 8P/Tuttle wurde von C.W. Hergenrother am 22. April 2007 wiedergefunden. Der im Sternbild Eidechse stehende, sternförmige Komet wies eine Gesamthelligkeit von 20.3m auf (IAUC 8848). Der Komet wird der Erde am 1.1.2008 mit 0.253 AE am nächsten kommen. Entsprechend werden seine Helligkeit und sein Komadurchmesser im November/Dezember rasch bis auf 5-6m bzw. ca. 20' zunehmen. Gleichzeitig wird seine Bewegung sich bis auf knapp 4°/Tag beschleunigen. Zunächst an der Grenze der Sternbilder Drache/Kepheus positioniert ein Objekt der ganzen Nacht, führt ihn sein Weg durch die Sternbilder Kassiopeia, Andromeda, Fische bis in den Walfisch bzw. Chemischen Ofen, wo er in den letzten Januartagen über dem abendlichen Südhorizont für Mitteleuropa verschwinden wird. Die maximale Helligkeit wird wenige Tage nach dem Perigäum prognostiziert. Die Erde kreuzt die Kometenbahnebene am 22. Dezember.

Der Komet wurde von Ende Oktober 2007 bis Anfang Mai 2008 visuell beobachtet - ab Ende Januar ausschließlich von der Südhalbkugel aus, wobei insgesamt 63 Beobachtungen von 9 FGK-Beobachtern eingingen. Für die Auswertung wurden zudem 420 internationale Beobachtungen verwendet. Auf die sehr kontinuierliche Helligkeitsentwicklung vor dem Perihel (am 27.1.08) folgte eine fast zweimonatige Phase, in der die Helligkeitsentwicklung mit einer Standardformel nur schlecht dargestellt werden kann. Erst 55 Tage nach dem Perihel gelingt die Anwendung einer Standardformel wieder. Formelmäßig sieht dies wie folgt aus, wobei der Korrelationskoeffizient in der 55-tägigen Zwischenphase sehr gering ist:

t < 0d: m = 8.0m + 5×log D + 19.3×log r
0d < t < +55d: m = 7.6m + 5×log D
t > +55d: m = 5.1m + 5×log D + 21×log r

Daraus ergibt sich eine Maximalhelligkeit von 5.7m um den 5. Januar.

Helligkeit und scheinbarer Komadurchmesser

Der scheinbare Komadurchmesser stieg von 2' Anfang November 2007 zunächst recht langsam an und maß Ende November 5'. Danach beschleunigte sich die Vergrößerung des scheinbaren Komadurchmessers. Mitte Dezember lag er bereits bei 12' und erreichte in den Tagen des Perigäums (1.1.08) seinen Maximalwert von 23'. Nach dem Perihel ging der Komadurchmesser von 12' zunächst langsam zurück, ab Anfang April (als er noch immer 9' maß) dann rascher. Anfang Mai betrug er nur noch 4'.

Die Entwicklung des absoluten Komadurchmessers zeigt sich davon sehr verschieden. Lag dieser zu Sichtbarkeitsbeginn erst bei 100.000 km, so dehnte er sich bis Mitte November auf 175.000 km aus. Danach folgte eine Phase deutlich langsamerer Ausdehnung, so dass er zum Jahreswechsel 2007/08 erst 225.000 km maß. Absolut gesehen kam es nach dem Perihel zu einer deutlichen Ausdehnung der Koma, von 275.000 km auf schließlich 450.000 km Anfang April. Danach schrumpfte sie bis Anfang Mai auf 250.000 km.

Die Koma war zu Sichtbarkeitsbeginn sehr diffus (DC 2). Dieser Kondensationsgrad veränderte sich bis Anfang Dezember praktisch nicht. Danach kam es aber bis zum Jahreswechsel zu einer zunehmenden Verdichtung bis auf DC 4. Dieser Wert wurde nach den vorliegenden Beobachtungen bis mindestens Ende März überraschenderweise konstant gehalten. Ein Schweif konnte visuell nicht ausgemacht werden.

D. Schleicher ermittelte eine durchschnittliche chemische Zusammensetzung mit einem sehr geringen Staubanteil (CBET 1113). Schmalband-Aufnahmen vom 14. Dezember 2007 zeigen drei spiralförmige Bögen auf der Sonnenseite des Kometenkerns, die insgesamt mehr als 180° überspannen. Sowohl die Abstände als auch die Bewegung der Bögen innerhalb von 4 Stunden weisen darauf hin, dass diese von einer Quelle stammen, der Kern eine Rotationsperiode von 4.9-5.0 Stunden aufweist und die Gase mit einer Geschwin-digkeit von 1.1 km/h abströmen. Schmalband-Fotometrie von D. Schleicher am 3., 4. und 5. Dezember ergeben folgende Produktionsraten (Moleküle/s): OH: 6.3×1027, Wasser: 7.6×1027, NH: 4.4×1025, CN: 1.7×1025, C2: 2.5×1025, C3: 6.6×1024, Staub: 32. Dabei zeigte die Staubproduktion eine deutlich ansteigende Tendenz. Schmalband-Aufnahmen vom 15. und 16. Dezember zeigen auf der sonnenzugewandten Seite des Kerns eine Serie von spiralförmigen Bögen. Für den Kern konnte aus den Beobachtungen eine Rotationsperiode des Kerns von 5.71±0.04 Stunden abgeleitet werden. Die Beobachtungen bestätigten, dass die Komamorphologie hauptsächlich - wenn nicht gar ausschließlich - durch eine Quelle verursacht wird (IAUC 8903/05). Beobachtungen mit dem 300m-Arecibo-Radioteleskop zeigen einen Doppelkern mit zwei 3 bzw. 4 km großen Komponenten, die wohl in Kontakt zueinander sind. Als Rotationsperiode ergaben sich 7.7±0.2 Stunden (IAUC 8909). Spektrometrische Beobachtungen im Millimeter-Bereich deuten auf eine Rotationsperiode des Kerns von 7.4 Stunden hin. Die Entweichgeschwindigkeit der Gase betrug am 30. Dezember 2007 0.8 km/s (CBET 1294).

Andreas Kammerer bemerkte den Kometen am Abend des 28.11. im 12"SC trotz sehr diffuser Koma, die aber eine merkliche kleine zentrale Verdichtung aufwies, sofort. Am 3.12. beobachtete Maik Meyer im 6"-Refraktor eine undeutlich begrenzte Koma sowie einen schwachen, großen äußeren Halo. Am 7.12. beobachtete er erneut eine undeutlich begrenzte Koma. Für Uwe Pilz war der Komet im 10x50B am 9.12. ein einfaches Objekt mit zentraler Kondesation; im 32cm-Reflektor, stellte er bei 96x eine starke Helligkeitszunahme zur Mitte hin fest; die fast stellare Kondensation schien etwas nach Südosten versetzt zu sein. Andreas Kammerer bemerkte den Kometen im Fernglas sofort; er wies eine überraschend große Koma auf, die zur Mitte hin mäßig verdichtet war. Volker Kasten beobachtete eine extrem diffuse Aufhellung und meinte, dass er die Koma wohl zu groß geschätzt habe. Am 13.12. war der Komet für Andreas Kammerer im Fernglas recht gut erkennbar, aber nicht auffällig; die Koma war merklich verdichtet. Volker Kasten beobachtete am 15.12. eine rundliche, diffus ausblassende Aufhellung. Andreas Kammerer konnte die merklich verdichtete Koma recht gut erkennen, doch war sie erneut nicht auffällig. Uwe Pilz beobachtete im 32cm-Reflektor am 28.12. eine sehr kräftig kondensierte Koma; ein 10" großer Materieknoten war ein wenig nach Norden versetzt. Volker Kasten sichtete im 8"SC blickweise einen fast sternförmigen, etwa 11.3m hellen false nucleus; zudem vermutete er einen Schweifansatz in PW=68°. Andreas Kammerer meldete eine recht diffuse Koma, die aber zur Mitte hin deutlich verdichtet war. Am 29.12. schätzte Volker Kasten Im 14x100B eine 17' große Koma mit DC 3. Am 30.12. ist die Koma für Andreas Kammerer deutlich flächenheller als die knapp daneben stehende, merklich größere Galaxie M33. Auch am 31.12. befand sich der Komet mit M33 im gleichen Gesichtsfeld; laut Volker Kasten wies er eine erheblich größere Flächenhelligkeit als M33 auf, war aber wesentlich kleiner; im 14x100B auf Stativ zeigte sich die Koma nur 11' groß mit DC 4; bei indirektem Sehen schien sich ein kleines, markantes Zentrum anzudeuten.

Am Abend des 1.1.08 erschien die Koma laut Andreas Kammerer merklich verdichtet. Am 2.1. zeigte sich gemäß seinen Beobachtungen im 8"SC, 50x eine ziemlich diffuse Koma, deren Flächenhelligkeit aber zum Zentrum hin stark anstieg (kleine innere Koma); bei 161x war ein kleiner, 11.5-12.0m heller Materieknoten erkennbar (starker, störender Wind verhinderte eine Detailuntersuchung). Walter Kutschera erschien er als helles, gut kondensiertes Objekt; im 54cm-Reflektor zeigte sich die bläuliche Koma mit verschieden hellen Faserstrukturen, wobei der kernnahe Bereich nicht auffallend war; zwei Streamer in PW=210° waren deutlich auszumachen. Seine Helligkeitsschätzung vom 5.1. dürfte nach Volker Kastens Aussage aufgrund von Wolkenaufzug wenig zuverlässig sein. Andreas Kammerer erschien die Koma am 6.1. stärker verdichtet als vier Nächte zuvor; einen Schweif konnte er nicht ausmachen; im 12"SC, 75x zeigte sich eine ziemlich diffuse Koma, deren Flächenhelligkeit aber zum Zentrum hin stark anstieg (kleine innere Koma); bei 242x war ein 13.5m heller false nucleus in einer hellen zentralen Verdichtung auszumachen. Volker Kasten beobachtete im 114/600mm-Refraktor, 75x eine 11' große Koma mit DC 4; nahe dem SSW-Rand war zeitweilig ein 11.5m heller sternförmiger false nucleus erkennbar. Dieter Schubert beobachtete den Kometen im 10x50B als sehr gut sichtbaren, runden und recht hellen Nebelfleck; im 102/500mm-Refraktor, 20x zeigte die runde Koma eine zentrale Aufhellung (DC 6). Am 8.1. konnte Volker Kasten im 14x100B blickweise ein kleines und markantes, aber nicht sternförmiges Zentrum erkennen, das etwas nach Süden versetzt war. Andreas Kammerer erschien die Koma nochmals stärker verdichtet; wiederum konnte er keinen Schweif ausmachen; im 8"SC, 50x zeigte die Koma die gleiche Morphologie wie zwei Nächte zuvor; bei 161x war ein stellarer, 13.0m heller false nucleus erkennbar. Volker Kasten gelang am 9.1. wegen des Aufzugs dünner Wolken eine vermutlich nur grobe Schätzung; 14x100B beobachtete er eine rundliche Koma mit sehr diffusen Randzonen. Am 13.1. war der Komet trotz des durch den Mond aufgehellten Hintergrunds für Andreas Kammerer ein einfaches Fernglasobjekt, wobei die Koma weniger verdichtet, aber immer noch überraschend groß erschien. Volker Kasten konnte im 8"SC, 111x in der Koma mit DC 4 blickweise einen annähernd punktförmigen, knapp 13m hellen false nucleus in PW=234° erkennen, der aus der Komamitte gegen den Rand verschoben war.

Andreas Kammerer

FG-Beobachtungen


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