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C/2006 P1 (McNaught) am Taghimmel


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Der Tag, an dem alles paßte

von F.W. Gerber


Tage, um nicht zu sagen Wochen vergingen ohne jede Hoffnung, den angekündigten Kometen Mc Naught 2006 P 1 zu Gesicht zu bekommen. Und nun ging seine Sichtbarkeit zuende. Er wäre in vielen Jahren die einzige Chance gewesen, in unmittelbarer Sonnennähe nicht nur die Venus, sondern auch einen hellen Kometen verfolgen zu können. Venus hatte ich in mehreren „Sungrazer-Venus“-Kampagnen hart neben der Sonne gesehen, etwa 1990 bei 34 Bogenminuten Abstand vom Sonnenrand. Schade.
Der 13. Januar, warm wie alle Wintertage des Jahres, begann mit einem bedeckten Himmel. Am späten Vormittag aber klarte es zunehmend auf, und nach 12 Uhr MEZ gab es echte Wolkenlöcher, die die Hoffnung aufkeimen ließen, eine Beobachtung auch bei so niedrigem Sonnenstand versuchen zu können. Schon des öfteren konnte ich vom Mikroklima südlich des Taunus profitieren, wenn im Norden eine dicke Wolkenwand stand. So auch heute.
Inzwischen hatte ich einen Beobachtungsplatz gefunden: direkt im gartenähnlichen Innenhof unseres Wohnkomplexes (mittels Google Earth genau zu bestimmen), also praktisch an der Hintertür. In der Nähe ein mehrstöckiges Haus mit schrägem Dach, ideal um dahinter die Sonne zu verstecken. Nicht weniger wichtig ein naher Baum mit dünnen Ästen, die am blauen Himmel im Fernglas einen Anhalt dafür geben, wohin der Blick eigentlich geht. Ohne solche Hilfe war Venus am Tage einige Grad neben der Sonne praktisch nicht aufzufinden. Denn ich beobachte mit Fernglas auf transportablem Stativ, also ohne Teilkreise oder Computersteuerung. Gegen 12.30 sitze ich auf den Kometen an, schätze die Distanz zur Sonne hinter der Dachschräge und beginne die Suche. Zu meiner Ausrüstung gehören neben dem großen Glas 25x125 das „kleinere“ 20x80, im gegebenen Falle mit dem Prisma zu bestücken, und ein Satz Natrium-Interferenzfilter für ungefährdetes Beobachten in der Nachbarschaft der Sonne. Manch einer wird es heute erfahren haben, wie blendend weiß die Wolkenfetzen in Sonnennähe sind. Mir halfen sie aber im Schutz der Natriumfilter, das große Glas genau zu fokussieren.
Nach 20 Minuten suche ich immer noch. Das Himmelsfeld ist klarblau, wie ich nie zu träumen gehofft hätte, die Sonne ohne störende Zirren in sicherer Entfernung. Aber weit und breit kein Komet. Ist er doch schwächer als erwartet? Hatte er also doch einen Helligkeitseinbruch? Die Anzahl der Wolken nimmt zu – war es also nichts mit dem Tageskometen?
Ich gehe hinein an meinen Schreibtisch und schaue mir noch einmal das SOHO-Bild mit der Kometenbahn an. Der Komet steht ja viel weiter ab von der Sonne als ich kalkuliert hatte – 2000 auf dem Feldberg im Taunus hatte ich zu weitab von der Sonne beinah vergeblich nach der Venus Ausschau gehalten. Wieder draußen am Fernglas, fand ich ihn nach kaum einer Minute, dank eines linearen biologischen Leitsterns in Form eines Zweigendes dicht rechts daneben.
Da stand also mein zweiter Tageskomet, aufgefunden mit den Na- Filtern, aber dann ebenso gut zu sehen ohne Filter – ruhig, fast suverän hinter den vorbeidefilierenden Wolkenfetzen. Ich hätte ihn schon viel länger beobachten, vor allem auch das Prisma vor dem 20x80 einsetzen können. Aber dafür war es inzwischen zu spät. Der Komet näherte sich der Dachschräge, und durch die Äste meines Baumes wäre er kaum noch zu verfolgen gewesen. Nun schloß sich auch die Wolkendecke – das Spektakel war vorbei. Das war gegen 13.15 Uhr unserer Zeit.
McNaught – das war der Komet, auf den ich spätestens seit 1990 gewartet hatte – einige werden sich noch erinnern an meine Einladung zur Suche nach dem Sungrazer Venus. Denn die helle Venus mit bekannter Helligkeit allein kann einen Anhalt geben für die Helligkeitsschätzung bei einem sonnennahen Kometen. Aber dazu muß man Venus bei ihrer Sonnenpassage in oberer Konjunktion verfolgen. Dieses Training habe ich dreimal oder noch öfter absolviert – jüngst Ende Oktober habe ich diese Periode allerdings „nur“ mittels SOHO verfolgt – aus genau denselben Gründen: Wie präsentiert sich ein Objekt der Helligkeit -4m auf dem Bildschirm von LASCO 3? – Inzwischen weiß ich, wie hell Venus bei SOHO ist, und nun auch, wie verrückt der Tageskomet auf dem Bildschirm aussieht. Übrigens hatte ich seinerzeit trotz idealer Sichtverhältnisse mit meinem Instrumentarium (Vixen 25x125 mit Na-Interferenzfiltern) weder NEAT nach Sonnenaufgang noch Bradfield am Mittag nahe der Sonne zu Gesicht bekommen. Die „Blooming-Balken“ auf den SOHO-Bildern zeigen, daß beide offenbar beträchtlich unter der Taghimmel-Grenzhelligkeit von -2m5 geblieben waren.
Mc Naught dagegen forderte förmlich zum Duell mit Venus auf –  die ich übrigens vorhin nicht gesucht hatte und also auch nicht sah. So basieren die folgenden Schätzungen auf der Erinnerung an frühere Venussichtungen mit dem genannten großen, mit den Na-Filtern bestückten Glas. Sowohl in Durchmesser als auch in Helligkeit war er ein guter Doppelgänger, der aber mit seinem kleinen doppelten Schweif seine Individualität wahrte. Die Helligkeit dürfte um -4m gelegen haben, also der Venus entsprechend. Nun sind Helligkeitsschätzungen so eine Sache – und nicht viel anders verhält es sich bei Längenschätzungen ohne Mikrometer und im leeren Blickfeld. Der Kometenkopf war auf etwa Venusgröße geschrumpft, lag also bei etwa 0’2; allerdings war das runde Kometenscheibchen nicht so scharf begrenzt wie das Venusscheibchen. Der Schweif war in Länge, Form und Helligkeit eine Mini-Ausgabe des Sungrazers Ikeya-Seki. Die Parabel war im Raum offenbar ein Paraboloid mit zur Sonne ausgerichteter Achse, auf dessen Oberfläche die Schweifmaterie abströmt – für uns als zwei kleine Zöpfe erkennbar. Ikeya-Seki entsprach dagegen dem Aspekt unseres Kometen vor einigen Tagen: eine fast gleichmäßig helle Parabel, damals fast 0°5 lang. Die Schweiflänge heute dagegen lag wohl bei etwa 2’ – aber das ist schwer zu schätzen, vor allem bei dem relativ großen Helligkeitsunterschied zwischen Kopf und Schweif. Die Flächenhelligkeit des Schweifs schien mir mit der Flächenhelligkeit des Jupiter am Taghimmel vergleichbar, also um -1m7. Dann käme man auf einen Helligkeitsanteil des Schweifs an der Kometenhelligkeit von etwa - 2m und damit auf eine theoretische  Gesamthelligkeit für das bloße Auge von etwa -4m5. Ob sich diese Schätzungen noch in den verbleibenden beiden Tagen am abendlichen Dämmerhimmel werden verifizieren und mit Venus vergleichen lassen, ist kaum noch zu hoffen. Vielleicht gelingen ja andern BeobachterInnen noch solche Schätzungen.

Einige abschließende Bemerkungen.
1    McNaught schien vor einigen Tagen einen Helligkeitseinbruch durchgemacht zu haben. Nach Jahrzehnten der Kometenbeobachtung erscheint mir das eine Art optische Täuschung zu sein – ich habe das „Dämmerungsdefekt“ genannt und erstmals beim genannten Ikeya-Seki 1965 beobachtet, später wieder beim Bennett 1970. Beide waren ja für mich am Südhimmel unter optimalen Bedingungen zu verfolgen. Daß seinerzeit Kohoutek verrückt spielte und uns zum Narren hielt, steht auf einem andern Blatt (erst keinerlei Helligkeitsanstieg, dann im Perihel eine Explosion auf wohl -3m). Mc Naught zeigt einmal mehr, wie wichtig Beobachtungen und Helligkeitsschätzungen von Objekten bekannter Helligkeit in der hellen Dämmerung sind, etwa von Venus, aber auch von Merkur und Jupiter – bei ihm besonders kann man den erwähnten „Dämmerungsdefekt“ studieren.
2    Kometen am Taghimmel sind eine sehr seltene Spezies. In Sonnennähe zeigen sie wohl ausnahmslos eine parabolische Schweifform. Offenbar kann man aus der Parabellänge auf die Helligkeit schließen – das bei Kometen der Vergangenheit, etwa beim Donati, beim Giganten 1882 oder bei der Halleykonkurrenz 1910 am Südhimmel nachzulesen und auszuwerten wäre eine lohnende Aufgabe.
3    Irgendwo im Internet fand ich eine Zusammenstellung der hellsten Kometen der letzten hundert Jahre. Einige Helligkeitsangaben scheinen mir ungenau zu sein. Die beiden Ikeya (1963 A1 und 1964 N1) habe ich beträchtlich heller beobachtet; Seki-Lines (1962 C1) sollte nach englischen Berechnungen -7m (!) erreichen, aber er wird mit 0m geführt – gab es denn keine Tagessichtungen? Und Wilson-Hubbard (1961 O1) war ein heller Komet am Dämmerhimmel mit ellenlangem Schweif – nur +3m5? Wurde West 1975/6 (-3m0) am Tage beobachtet? Ich kenne keine Meldung, leider auch nicht von Hale-Bopp. Wieso hatte das niemand versucht?

Mainz, 14.1.2007        FWGerber

Spektroskopie der Kometenatmosphäre, auch von anderen Kometen


Die beiliegnden, etwas mäßige Scan-Resultate von Diapositiven gelungener Spektren von Hale-Bopp vom Frühjahr 1997, wurden vermutlich innerhalb weniger Tage aufgenommen - wenn nicht am selben. Interessant auch das Spektrum von ρ Per, dem roten HR neben Algol. Die Spektren aufzunehmen war übrigens nicht gerade einfach, da bei einem 45°-Prisma die Ablenkung 23°5 beträgt, das Kometenspektrum also in einen Umkreis mit diesem Radius um den Kometenort fällt. H-B war im Übrigen schön hell, wie sich das Ganze mit Digi-Kameras und Baader-Gitter darstellen wird - dazu wage ich keine Prognosen.
Spektrum


Es folgt einig älteres Spektrum, von C/1983 H1 (IRAS-Araki-Alcok):
1983H1

und vom Halley  eine Grafik von 1985:
1985

Später kamen nur visuelle Spektralbeobachtungen dazu, keine fotografischen.